10 Tage ist es nun her, dass ich von Deutschland aus aufgebrochen bin, um Norwegen – meine neue Heimat für 5 Monate – aufzusuchen. Mangels Internet ist der Kontakt zur Welt außerhalb des Mikrokosmos „Fantoft Studentboliger“ fast zusammengebrochen. Nur selten ermöglicht ein freies Wlan bruchstückhafte Kommunikation mit den Daheimgebliebenen. Doch was ist nun in der letzten Woche so alles passiert? Ich werde versuchen die Erlebnisse und Aspekte von Fahrt und Ankunft in Norwegen ein wenig zusammenzufassen. Los geht es natürlich am Startpunkt in Tännesberg, tief in der oberpfälzischen Peripherie an nahe der bayerisch-tschechischen Grenze.
Die Fahrt.
Tag 1
Tschechien? Ja Tschechien liegt nahe, daher war es auch nahe liegend, Tschechien zur ersten Nation zu machen, die wir auf unserer Fahrt aufsuchen. Denn so eine Palette Budweiser im Reisegepäck hat eine ungemein beruhigende Wirkung hinsichtlich horrender norwegischer Preise. Im übrigen war ich bei der Hinfahrt nicht allein unterwegs: Ich teilte mit Ingrid, einer Geographin aus Innsbruck, das Auto. Die Fahrt führte dann durch monotone dunkeldeutsche Landschaften, vorbei an zwei aktiven Blitzgeräten und Windkraftanlagen. Das Ziel dieser ersten Tagesetappe am 30.7.2009 war Hamburg. Ein kurzer Abstecher in die Innenstadt und eine Übernachtung in einem geschmackvoll eingerichteten Haus in Blankenese vollendeten den ersten Reisetag.
Tag 2
Der zweite Tag führte uns dann zunächst nach Dänemark. Wir suchten und fanden nach einiger Zeit auch das Meer, Seeluft und auf den Wellen schaukelnde Schiffe. Ansonsten war Dänemark eher flach und menschenleer. Die Menschen waren anscheinend alle gerade in Koppenhagen beim Einkaufen, wie einem die reich bevölkerte Fußgängerzone zu zeigen schien. Die adrette dänische Hauptstadt ließen wir auch hinter uns, denn es sollte weiter gehen bis nach Göteborg in Schweden. Beeindruckend die Fahrt über die großen Ostseebrücken.
Meer in Dänemark
Nachdem wir an der Grenze klar machen konnten, dass wir keine Katzen und Hunde in Schweden einführen werden, folgten wir in schönem Abendlicht der E6 entlang der schwedischen Westküste. In Göteborg stand der Einbruch der Nacht dann auch unmittelbar bevor. Wir mussten uns eine Schlafmöglichkeit suchen, zunächst an der Küste mit Sonnenuntergang an einem kleinen Segelhafen, doch viel zu windig und ungeschützt um dort schlafen zu können. Ein paar Kilometer im Hinterland fanden wir dann im Wildwuchs hinter einer Tennishalle eine kleine Wiesenfläche, auf der wir unter freiem Himmel übernachtet haben. Nicht unangenehm, der Natur in der Nacht so nahe zu sein.
Tag 3
Die Sonne weckte uns und mit ausgesprochen gutem Reisewetter ging es weiter durch Schweden. Malerische Landschaften mit rot gestrichenen Holzhäusern und weiten Getreidefeldern führten uns über kleine abgelegene Straßen auf einige Insel und an die schwedische Schärenküste. Die Zeit in den kleinen Fischernesten mit ihren roten und weißen Holzgebäuden schien stehen geblieben zu sein. Das musste also Skandinavien sein. Doch unser Ziel war ja Norwegen. So passierten wir den Grenzzoll und erreichten schließlich Oslo, die norwegische Haupstadt. Da niemand Lust hat, für 8 Euro die Stunde zu parken (Willkommen nordisches Preisniveau), suchten wir eine Insel gegenüber des Hafens der skandinavischen Metropole auf und genossen den strahlend blauen Himmel über Oslo und seines von lebhafter Schiffs-Betriebsamkeit erfüllten Fjords. Weiter ging die Fahrt über Kongsberg (mit parkscheinpflichtigen Supermarktparkplatz) ins waldreiche Numedal. Erstmals stiegen jetzt auch die Höhenzüge an und Skandinavien zeigte sich von seiner raueren Seite. Die Serpentinen einer Nebenstraße führte uns zu einem malerischen großen See (Name folgt unter Umständen) auf 750m Höhe. Erstaunlich die Dichte an Ferienhäusern an dessen Ufern, man sah, dass in Norwegen der Wohlstand zugenommen hatte die letzten Jahrzehnte. Und wir brauchten eine neue Schlafmöglichkeit. Mit scharfem Blick erspähte ich einen verlassenen Wohnwagen – Marke Tappert – in einem Fichtenforst. Unverschlossen, doch irgendwie wollte uns die etwas muffige Inneneinrichtung nicht gemütlich erscheinen. Flohstichangst. Also musste es weiter gehen, hinab Richtung Gol, an die Hauptverkehrsverbindung zwischen Bergen und Oslo. Kurz vor Gol fand ich das nächste mögliche Schlafdomizil in Form einer Hütte am Straßenrand. Und hier hatten wir Glück. Doch als wir mit dem Auto vorfuhren, waren wir überrascht, in der Arena einer ehemaligen Skisprungschanze zu stehen. Die Scheinwerfer und die Sprunganlagen verfallen-marode, dient der untere Teil heute als Mud-Park für BMX und Mountainbiker. Auf jedenfall ein tolles Szenario. Die Verande der Hütte wurde zu einer luxuriösen Nachtunterkunft umgestaltet und von der hoch über den Wald hinausragenden Startplattform hatte man einen wunderbaren Abendblick über die umliegenden Tallandschaften und auf das scheinbar fast senkrecht 80m unter uns geparkte Auto.
Sprungschanzenschlafplatz
Tag 4
Am nächsten Tag stand zunächst Geilo mitsamt heißer Dusche in einem 5 Sterne Campingplatz als Zwischenziel auf der Fahrtroute an. Von dort führte die Straße hoch auf die weite Hochfläche der Hardrangervidda. Auf 1200m Höhe herrschen dort die gleichen klimatischen Verhältnisse wie auf 2200m Seehöhe in Kontinentaleuropa. Auf der linken Seite begleitete uns die karge Fjell Hochfläche: Sanfte von Flechten und Gräsern bewachsene Kuppen wechselten sich ab mit eiskalten Seen.
Fjellsee
30mal größer als der Bayerische Wald ist diese karge Landschaft. Auf der rechten Seite dagegen zeigten sich Schneefelder und recht schroff die Gletscherkappe des Hardrangergletschers. Bilderbuchnorwegen. Das Wetter wurde zunehmend bedeckter, aber wir ließen es uns nicht nehmen, den Latefossen aufzusuchen – einen beeindruckenden Wasserfall in eine canyonartige Schlucht, der locker alle Südtirolerwasserfälle auf einmal in sich aufnehmen könnte.
Latefossen
Schließlich erreichten wir am Aurlandfjord wieder Seehöhe. Wir nahmen noch eine Umrundung des Sörfjords in Kauf, interessant die Kirschbaumplantagen an den steilen Fjordufern und die als „Moreller“ verkauften Kirschen am Straßenrand. Von hier an begleitete uns zum ersten Mal auf unserer Fahrt Regenwetter. Bergen musste ziemlich nah sein. Nach einer Fährüberfahrt über den Fusafjord ging es weiter über malerische Halbinseln in Richtung meiner neuen Uni-Stadt. Die Landschaft hier im Wirkungsbereich zwischen Atlantik und Bergspitzen mit seinen von kleinen Inseln durchsetzten Seen gefiel mir trotz Regens fast am Besten.
Verwunschener See
Mit Einbruch der Dunkelheit erreichten wir Bergen und einen Plattenbau. Plattenbau? Ja richtig, ich lebe hier im Ghetto der Stadt Bergen zusammen mit allen anderen „armen“ Ausländern. Ganz Norwegen scheint aus Holz zu bestehen, nur hier gibt es auf 200x200m so viel Beton wie in Jena-Süd. Aber man gewöhnt sich daran. Auch schon wieder geil. Ein hilfsbereiter Italiener zeigte uns ein unverschlossenes Zimmer wo wir übernachten konnten (ich schön auf blankem Holz, hätte es nicht geregnet hätte ich wieder draußen geschlafen), denn die Rezeption war bereits geschlossen. Achja, vorher gab es noch eine schlechte Pizza für 20 Euro. Hejsa Norge. Angekommen in Bergen – meiner neuen Heimat.
Bergen – Die erste Woche
Morgens ging es dann auch schon in die „Resepsjon“ (Norwegisch lesen ist für Deutsche mit ein bisschen Fantasie und Kreativität wirklich einfach). Natürlich standen am ersten Öffnungstag nur Deutsche dort an. Wie sagte jemand: „Die Belegung des Fantoft Studentenwohnheims ist wie Mallorca. Die Deutschen kommen als erste und belegen die besten Plätze.“ Tatsächlich sind vom 12. bis zum 18. Stockwerk die meisten 8er Wohngemeinschaften mit einer deutschen Überzahl belegt. Ich selbst wohn im 15. Stockwerk mit Blick auf Stadt und einen der 7 Bergenser Hausberge.
Mein Zimmer
Auf der Suche nach jemanden der mir die Sache mit dem Internet erklären könnte landete ich in der Küche des 18. Stockwerks und lernte dort einen Regensburger Psychologie Studenten kennen und schon waren die ersten Bande im neuen Lebensraum geknüpft. Er war auch per Auto, einem 33 Jahre alten Mercedestransportbus (LT sonst was) nach Norwegen gekommen. Dies war dann auch die Keimzelle der Küchengemeinschaft 18. Stock. Ansonsten gab es weitere Deutsche, einige nette Holländer (auch pünktlich) und alteingesessene Bewohner.
Am nächsten Tag nahmen wir uns dann gleich den Ulriken, den höchsten Hausberg unserer Stadt vor. Strahlend blauer Himmel und eine tolle Fernsicht lohnten für den Aufstieg von 30 auf 694m. Schlossberg Tännesberg. Am Berg von berglaufenden Norwegerinnen überholt worden – erstmal trainieren dann werden die blau gelaufen.
Blick vom Ulriken auf Bergen
Die nächsten Tage bestanden dann aus ausgiebigen Angeltouren an den Fjorden (Bestes Fangergebniss 11 Makrelen und 3 Köhler) und weiteren Bergtouren. Die Nächte waren natürlich kurz, weitere Menschen wollten kennengelernt werden. Die Fische bereichern ob der hohen norwegischen Lebensmittelpreise unseren Speiseplan. Frische Makrele gefüllt mit Limetten und Meersalz, mit Butter bestrichen und dazu Kartoffeln. Ein Gedicht. Beim wandern fand ich dann einige Schubkarrenladungen Steinpilze, von denen aber nur 3,482% nicht wurmig waren. Genug für eine Pilzsoße mit Pfannkuchen – selbst gekocht vom Herrn KetchupmitNudeln. Das Lob der Mitesser war mir dafür sicher.
Mein Flur füllte sich auch langsam, 3 weitere Deutsche, eine Chinesin, ein Ägypter und ein Norweger. Zusammen putzten wir mehrere Stunden lang die von der spanischen Vorgängergeneration verwüstete Küche. Jetzt mag man dort sogar mal sitzen und essen. Auch Gerrit und Tobi, Bonner Geographen kamen waren inzwischen angekommen. in Der Tagesablauf mit Outdoorunternehmungen bei Tageslicht und netter Nachtatmosphäre gefällt mir recht gut. Einmal war ich bei einer Münchnerin in einer WG in der Innenstadt eingeladen. Interessant mal einen Einblick in die Feierkultur der Norweger zu bekommen, ebenso interessant der Kontakt zu einem Norweger, der den Anglern unter uns vielleicht einen Angeltrip mit dem Boot bescheren. Ansonsten ist es aber schon ein wenig irritierend was sich nachts in Bergen abspielt. Auf der einen Seite des öfteren sturzbetrunkene Norweger, die sich am Wochenende aus dem Vorschriften- und Preiskorsett ihres Alltags heraussaufen, auf der anderen Seite junge Erasmusstudenten die ihren Eramusaufenthalt stilecht zelebrieren wollen. Dazwischen wir „älteren“ Diplomstudenten, verwöhnt von einem nicht bachelorlike verwöhntem Studiengang.
Ein wenig problematisch für mich ist der Verschleiß meines persönlichen Eigentums. Die Angel gebrochen und auch mein Fahrrad und eine Goretex Jacke wurden bei einem Sturz in Mitleidenschaft gezogen. Das mit dem Fahrrad war eine gefährliche Geschichte, die glimpflich ausging. An einer Bordsteinkante sprang das Vorderrad aus der Gabel so dass ich im hohen Bogen vom Fahrrad flog und auf groben Schotter landete. Wenn ich die Eiterblase an meinem linken Ellenbogen aufsteche bin ich aber wieder hergestellt weitgehend.
Gestern Nacht schließlich fassten wir den bisher verrücktesten Plan einer Outdoorunternehmung. Als sich gegen 3 Uhr die Gruppe auf den Holzbänken vor dem Studentenwohnheim auflöste, nahmen sich eine Französin, der Regensburger und ich uns vor, zum Sonnenaufgang zum zweiten Mal auf den Ulriken zu steigen.
Morgendämmerung
Um 4 Uhr morgens ging es dann den langen Weg hinaus in die stille Berglandschaft, ich als bayerische Bergziege vorneweg. Bei lichtblauem Himmel und ein paar Nebelschwaden über den Taleinschnitten erwies sich die Szenerie als wirklich beeindruckend. Der schönste Morgen bisher in Bergen, meiner Heimatstadt für die nächsten 5 Monate.
Morgens auf dem Fjell
Morgen beginnt die Universität, ich bin gespannt was mich dort erwarten wird. Bisher bin ich wirklich sehr zufrieden mit meinem Aufenthalt hier.
Meine Grüße gehen raus an alle zurückgebliebenen, nach Bonn und anderswo in Deutschland.
Bis bald, euer Kilian
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Schlagwörter: 2009, Bergen, Deutschland nach Norwegen, Fantoft, Fotos, Norway, Norwegen, Roadtrip